Thomas Schuler

 

Von Kanonen und Spatzen.

Qualitätsmanagement in kleineren Museen

 

 

Manch ein Kollege, der sich an der Heimatfront in einem kleineren Museum aufreibt, verspürt hin und wieder eine innere Nähe zu einem Spatzen. Dieser unscheinbare Vogel ist ja ganz klein und kann weder mit buntem Gefieder noch mit melodischem Gezwitscher auf sich aufmerksam machen. Und er hat alles andere als ein gutes Image, wird sogar von manchen als ‚Dreckspatz’ verhöhnt.

 

Genügend Minuspunkte also, um Selbstmitleid, Frust und Minderwertigkeitsgefühle zu entwickeln! Doch wenn der Einzelkämpfer im Museum mal einen solchen depressiven Schub bekommt, dann sollte er sich die Spatzen etwas genauer ansehen: Sie sind nämlich frech und flink, agieren gemeinsam in Gruppen und schimpfen lautstark. Insbesondere der Dreckspatz hat eine Ehrenrettung verdient: Er putzt nämlich sein Gefieder genauso hingebungsvoll wie die großen und schönen Vögel. Denn: Sich zu säubern und die Federn gut funktionsfähig zu halten, gehört zu den tierischen Instinkten, die den Vögeln aller Arten das Überleben sichern.

 

Genau dasselbe gilt für das Bemühen der Museen um Qualität. Jeder von uns will gute Arbeit leisten, will erfolgreich sammeln und interessante Ausstellungen anbieten.

 

These 1

Das Bemühen um Qualität und Professionalität gehört zu den Grundaufgaben eines Museums und ist nicht von dessen Größe oder Ausstattung abhängig.

 

 

 

 

  

Inhaltsübersicht

 

·         Pro und contra Qualitätsmanagement

  

·         Innen- und Außenwirkung: Qualitäts-

              orientierung und Qualitätsstandards

  

·         Elemente der Qualitätsentwicklung

              und Qualitätssicherung

 

·         Angemessene Wege für kleinere Museen

 

·         Schlussplädoyer:

             Vom Qualitätsmanagement

             zur Qualitätsorientierung

I)  Pro und kontra Qualitätsmanagement

 

A)  Ängste und Sorgen

 

Es ist unübersehbar, dass die „Kanone“ Qualitätsmanagement Sorgen, Ängste und Abwehr weckt. Die kleineren Museen befürchten, an unerreichbaren Standards gemessen zu werden und unsinnige Anforderungen erfüllen zu müssen.  Man beklagt den nicht leistbaren zusätzlichen Zeitaufwand für Zieldiskussionen und Verfahrensanalysen. Und ganz im Inneren weckt eine externe Begutachtung ein längst vergessenes Gefühl: die Prüfungsangst. Müssen wir als erfahrene und gestandene Fachleute uns wirklich noch einmal in eine Prüfungssituation begeben?

 

Solche Sorgen werden verstärkt, wenn wir auf die „Kanoniere“ blicken, also die Menschen und Institutionen – samt ihren Motiven und Absichten –, die hinter dem Qualitätsmanagement stehen. Es wird nämlich oft für andere Ziele benutzt und z.B. als Vehikel für Sparmaßnahmen missbraucht. Nicht selten kommt es als Bestandteil einer aufgezwungenen Verwaltungsreform daher oder soll bloß zu einer besseren Vermarktung unserer Angebote führen. Wer Qualitätsmanagement so instrumentalisiert, verkennt dessen eigentliche Funktion, diskreditiert seine Ziele und begrenzt dessen Potential.

 

These 2

Qualitätsmanagement wird häufig dadurch diskreditiert, dass es für andere Ziele (Sparmaßnahmen, Verwaltungsreform, Marketing-Orientierung) instrumentalisiert wird. Für uns Museen geht es jedoch vor allem darum, was Qualitätsmanagement für uns und unsere ureigensten Aufgaben leistet.

 

 

B)  Begriffe und Missverständnisse

 

Der Begriff ’Qualitätsmanagement’ wird in einem engen und in einem weiten Sinn gebraucht.

 

Der Klarheit halber verwende ich den Begriff ‚Qualitätsmanagement’ im Folgenden ausschließlich im strikten betriebswirtschaftlichen Sinn. Bei den Konzepten und Maßnahmen für kleinere Museen formuliere ich bewusst weicher und spreche von Qualitätsorientierung’  bzw. von ‚Qualitätsförderung’.

 


Beim Qualitätsmanagement eben so wie bei der Qualitätsorientierung unterscheidet man des Weiteren

 

Diese drei  Ebenen lassen sich – stark vereinfachend – bündeln:

 

These 3

Qualitätsorientierung hat eine doppelte Ausrichtung:

 

Mit erheblichen Missverständnissen hat der Begriff ‚Standard’ zu kämpfen. Manche vermuten hinter der Festlegung von Museumsstandards die Tendenz zur Standardisierung und damit zur Uniformierung und zur Nivellierung der Vielfalt. Dieser Verdacht trifft aus mehreren Gründen nicht zu: Zum einen geht es bei Standards für Kultureinrichtungen um das genaue Gegenteil, nämlich um das Entwickeln von Stärken, um das Schärfen des eigenen Profils und um die Einzigartigkeit der Sammlungen und der Angebote. Zum anderen basiert ein Standard nicht nur auf starren Meßlatten, sondern umfasst auch offene und flexible Kriterien.

 

Wer beklagt, dass Standards doch meist von Fachfremden bestimmt und deshalb in der Praxis unbrauchbar wären, der sollte sich an die eigene Nase fassen: Wenn Museumsleute sich der Diskussion um Museumsstandards verweigern, dann werden allerdings irgendwann einmal Fachfremde uns Standards vorsetzen. Die bisher in anderen Ländern entwickelten Museumsstandards sind übrigens von den Organisationen des Museumswesens aus eigener Initiative entwickelt worden.

 

 


C)  Pluspunkte für kleinere Museen

 

Die Einführung von Qualitätsstandards würde mehrere aktuelle (gerade von kleineren Museen oft beklagte) Strukturprobleme unserer Museumszunft lösen.

 

 

 

 

 

 

Wenn wir diese Argumente Revue passieren lassen, dann fällt auf, dass Qualitätsstandards gerade für kleinere Museen besondere Vorteile bringen:

 

These 4

Kleinere Museen profitieren von der Einführung von Qualitätsstandards besonders, weil die Zunahme der Museumszahlen, der Missbrauch des Museumsbegriffs, die Konkurrenz um regionale Fördermittel und der Imagegewinn sich für sie viel stärker auswirkt  als für größere Museen.

 

Klare Mindeststandards sind ein entscheidender Hebel, um sich zum einen von unprofessionell geführten Einrichtungen abzugrenzen und sich zum andern gegen die von Sparmassnahmen verursachte schleichende Auszehrung zu wehren.

 

 


II)  Innen- und Außenwirkung:

Qualitätsorientierung und Qualitätsstandards

 

A)  Unsere eigenen  Qualitätsansprüche –

      oder: Wo uns Qualitätsorientierung helfen kann

 

1)  Museumsbetrieb insgesamt

 

Qualitätssicherung hilft uns beim Festlegen und Reflektieren unserer Standards,  und vor allem beim Überprüfen, ob und wie wir sie erfüllen. Der Prozess der Qualitätsentwicklung optimiert die betrieblichen Abläufe und macht sie weniger fehleranfällig sowie besucher- und mitarbeiterfreundlicher.

  

Bei Alltagsroutinen (wie der Besucherbetreuung oder der Inventarisierung) bewähren sich qualitätsorientierte Verfahren als sehr wirksame Waffen gegen den kleinen Schlendrian, vor dem kein Museum gefeit ist; Fehler werden früher erkannt und abgestellt.

  

Doch es geht nicht bloß um ein internes Fehlerwarnsystem. Wenn ein Museum die Qualitätsentwicklung gezielt vorantreibt, führt das vielmehr zu einer grundlegenden Umorientierung. Wer Qualitätsbewusstsein zur Leitlinie erhebt, wird über kurz oder lang auch die Verbesserung der Arbeitsergebnisse und der Motivation erleben.

  

Eine weitere Stärke von Qualitätsorientierung liegt bei der Überprüfung und Verbesserung der allgemeinen Strukturen des Museumsbetriebs, und zwar sowohl von Aufbau und Gliederung (z.B. Hierarchie und Arbeitsteilung), als auch von der Organisation betrieblicher Abläufe (z.B. Informationsfluss, Besucherbeschwerden).

 

2)  einzelne Arbeitsbereiche

 

Die konsequente Ausrichtung auf Qualität lenkt bei der Beurteilung des Besucherbetriebs den Blick weg von der Analyse von Zahlen und hin zu qualitativen Aussagen z.B. über die Zufriedenheit oder das Besuchserlebnis.

 

Besonders beim Kulturgutschutz ist Qualitätsorientierung unverzichtbar, denn die langfristige Erhaltung von Objekten stellt höchste Ansprüche. Selbst kleine Fehler im Depot (z.B. Licht, Staub) summieren sich ja über die Jahrzehnte. Doch ohne umfassende Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung ist 0% Fehlertoleranz kaum zu erreichen.

 

3)  Notfallvorsorge

 

Qualitätsorientierung hilft nicht nur bei den Strukturen und Routinen unseres Alltags, sondern auch bei der Vorbereitung auf Notsituationen und Katastrophen, insbesondere bei der Schwachstellenanalyse, beim Durchspielen von Bedrohungsszenarien, bei der Erarbeitung von (möglichst wenig fehleranfälligen) Notfallmaßnahmen und bei der regelmäßigen Überprüfung der Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft von Helfern und Ausrüstung.

 


B)  Qualität nach außen dokumentieren –

      oder: Wer sich für unsere Qualitätsstandards interessiert

 

1)  Museumsträger

 

Sehr neugierig sind unsere Museumsträger. Immer mehr öffentliche Verwaltungen setzen ja auf neue Steuerungssysteme. Statt auf die feste Zuteilung („input“) von Etats (an Geld, Personal, Räumen) kommt es dann auf eine gemeinsame Vereinbarung von Zielen und Ergebnissen an („output“). In einem solchen Kontext kommt sowohl dem Setzen als auch dem Erreichen von Zielen eine entscheidende Bedeutung zu. Qualitätsorientierte Verfahren sind hierfür sehr nützliche Instrumente, insbesondere dann, wenn wir uns nicht auf quantifizierbare Angaben beschränken, sondern auch auf den Nachweis Wert legen, dass unsere qualitativen Ziele erreicht worden sind.

 

2)  Fördermittelgeber und Sponsoren

 

Viele Fördermittelgeber (z.B. Landesstellen und Stiftungen) haben für den internen Gebrauch längst eigene Kriterien entwickelt, um beurteilen und vergleichen zu können, welche fachlichen Standards der Antragsteller erreicht hat. Solche Kriterienlisten sind z. T. auch publiziert.

 

Für Sachsen kann man auf die von einer Arbeitsgruppe von Ministerium, Landesstelle und Museumsbund vorgeschlagenen 14 Kriterien verweisen (siehe Informationen des Sächsischen Museumsbundes, Nr. 17 / 1998, S. 3).

 

Diese Institutionen beobachten auch ganz allgemein, wie ein Museum mit dem eigenen Qualitätsanspruch umgeht (z. B. ob Qualitätsmanagement praktiziert wird) oder wie es von anderen beurteilt wird (z. B. ob es eine Auszeichnung erhalten hat).

 

Deutlich schwerer tun sich Sponsoren, wenn sie die Qualität der fachlichen Arbeit eines Museums beurteilen sollen; sie sind für Bewertungen durch Außenstehende besonders empfänglich. Bei firmeninternen Diskussionen z. B. hilft es unserer Kontaktperson sehr, wenn sie bei ihren Kollegen und Vorgesetzten – wie in der Wirtschaft selbstverständlich –  mit Qualitätsstandards argumentieren kann. Hier zählt nicht erst ein erreichtes Gütesiegel, sondern bereits der Umstand, dass angemessene Elemente von Qualitätsmanagement in die Museumspraxis integriert wurden.

 

3)  Lokale Öffentlichkeit und Medien

 

Wenn ein Museum eine Auszeichnung erhält, wird dies von der lokalen Öffentlichkeit, den Multiplikatoren und VIP’s genau registriert. Da der Prophet im eigenen Lande ja wenig zu gelten pflegt, brauchen unsere Mitbürger oft ein Urteil von Außenstehenden, um den Wert unserer Museumsarbeit richtig wahrzunehmen.

 

Eine solche Auszeichnung weckt Neugier und bringt Erstbesucher; manch einer setzt dann den uralten Vorsatz, mal wieder ins Museum zu gehen, in die Tat um. Doch es geht nicht nur um vordergründigen Nutzen; eine Auszeichnung ist ein echter Imagegewinn und stärkt uns im Wettbewerb mit anderen Kultureinrichtungen und Freizeitanbietern (die z. T. bereits über eigene Bewertungsverfahren verfügen). Nicht unterschätzen sollte man, dass auch die weniger am Museum interessierten Bürger stolz auf eine Auszeichnung sind, die ihrer Stadt zuteil wird; sie sprechen dann plötzlich von „unserem Museum“.

 

Ganz ähnliches gilt für die Medien. Auch die lokalen Reporter brauchen manchmal einen Anstoß von außen, um etwas Wohlvertrautes ernst zunehmen und positive Veränderungen zu entdecken. Berichte über den Prozess der Qualitätsentwicklung oder über eine Auszeichnung sind für uns besonders wertvoll, denn sie lenken den Blick auf die die inneren Kernaufgaben eines Museums – ein wichtiges (leider allzu seltenes) Korrektiv zur breiten Berichterstattung über unsere Ausstellungen und Veranstaltungen.

 

4)  Museumsbesucher

 

Wenn ein Besucher unser Museum betritt und ein Schild mit einem Qualitätssiegel wahrnimmt, dann ist das keine schlechte Einstimmung; für andere mag eine Auszeichnung der letzte Anstoß sein, um sich die Zeit für den Besuch zu nehmen. Doch erneut gilt: Der eigentliche Prüfstein für qualitätsorientierte Museumsarbeit ist nicht die Plakette an der Außenwand und die deshalb steigenden Besucherzahlen, sondern das gute Besuchserlebnis.

 

Wir sollten uns einmal vor Augen führen, wie aufmerksam wir selbst als Hotelgast oder als Kunde eine kleine Unzulänglichkeiten registrieren und wie rasch wir bei einem ersten Besuch bereit sind, ein einzelnen Missgeschick zu verallgemeinern. Und wird der bleibende Gesamteindruck (und damit die Neigung wiederzukommen) nicht oft von Nebensächlichkeiten verdunkelt, bei denen etwas schief gegangen war?

 

Diese feinen Antennen und diese Neigung zum vorschnellen Urteil und zum Aufbauschen von störenden Kleinigkeiten bringen auch unsere Museumsbesucher mit; kleine betriebliche Mängel entdecken sie leider oft eher als wir selbst. Sie spüren, ob das Museum flexibel auf die Wünsche reagiert und wie es mit Fehlern und Beschwerden umgeht. Ihr Unterbewusstsein registriert aber auch das Positive: wenn alles klappt und man sich gut um die Besucher kümmert. Qualitätsorientierung ist nämlich mehr als das Vermeiden von Fehlern; es erzeugt vielmehr ein Klima der Besucherfreundlichkeit.

 

5)  Förderverein und Museumskollegen

 

Auch die treuen Freunde an unserer Seite, die Mitglieder der Fördervereine können hin und wieder einen Motivationsschub gebrauchen. Eine Auszeichnung „ihres Museums“ signalisiert ihnen, dass sie im Ehrenamt ihre Zeit und Kraft an der richtigen Stelle investieren. Außerdem stellt die Qualitätssicherung auch die Routinen im Umgang zwischen Museum und Verein auf den Prüfstand. Leerlauf und falsche Erwartungen werden somit früher erkannt; gemeinsame Projekte können besser entwickelt werden.

 

Besonders genau registriert die Museumszunft, wenn ein Museum eine Auszeichnung erhält.  Die Kollegen reagieren oft mit einer Mischung von Anerkennung und Neid, denn das Erreichen von Qualitätsstandards ist eine wichtige Facette beim Image in unserer Zunft. Greifbar wirkt sich dies aus bei den Kontakten oder beim Leihverkehr mit Museen, zu denen es keine persönlichen Beziehungen gibt. Wenn die Angaben im „Facility Report“ z. B. durch ein Gütesiegel ergänzt werden, dann ist dies gewiss keine schlechte Kombination.

III)  Elemente der Qualitätsentwicklung

und Qualitätssicherung

 

A)  Die internen Instrumente und Prozesse –

      oder: Wie wir unsere Qualität entwickeln können

 

1)  Generalziel und Einzelziele

 

Wie immer müssen zuerst die Ziele gesteckt und ausformuliert werden – und zwar nicht nur das Generalziel ‚Qualität’, sondern auch die davon abzuleitenden Einzelziele. Da es bei der Qualitätsorientierung ganz wesentlich auf die innere Einstellung zur Arbeit ankommt, ist schon einiges erreicht, wenn alle Museumsmitarbeiter sich auf ein neues Qualitätsbewusstsein einlassen.

 

2)  Zeitliche Rahmenbedingungen

 

Eine entscheidende Rahmenbedingung beim Prozess der Qualitätsentwicklung ist die Zeit. Welches Zeitbudget steht für die wichtige und sehr arbeitsintensive erste Bestandsaufnahme zur Verfügung? Gibt es äußere Vorgaben, bis wann ein Bericht vorgelegt werden muss? Und wie geht es dann weiter? Kann ein permanent begleitendes Verfahren eingeführt werden oder muss man sich mit punktuellen Überprüfungen im Ein- oder Mehrjahresrhythmus begnügen?

 

3)  Quantitative und qualitative Verfahren

 

Wir bevorzugen manchmal bei Berichten und Analysen quantitative Methoden – z.T. auf Grund äußerer Vorgaben, z.T. aus Bequemlichkeit. Maßzahlen (z.B. Anzahl von Neuerwerbungen), quantitative Verfahren (z.B. Statistik) und Präsentationsformen (z.B. Tabellen) scheinen leichter zu erheben und für den Museumsträger oder beim Museumsvergleich bequemer handhabbar zu sein.

 

Doch für uns Museen ist es entscheidend, dass wir unsere Kraft in Auswertungen stecken, die auf qualitativen Kriterien beruhen. Eine kluge Umsetzung der Sammlungsstrategie, sichere und stabile Depotbedingungen oder Zufriedenheit der Besucher sind zur Bewertung guter Museumsarbeit aussagekräftiger als z.B. die Anzahl der je Mitarbeitertag inventarisierten Objekte oder die statistische Auswertung der Klimaprotokolle oder die schieren Besucherzahlen.

 

4)  Interne Analysen der Arbeitsabläufe

 

Als einfachster Start in Richtung Qualitätsentwicklung haben sich interne Analysen bewährt. Man muss nur die Arbeitsabläufe im eigenen Haus beobachten und schriftlich – am besten in einem Ablaufdiagramm – festhalten. Über welche Strecken und Stationen gelangt z.B. eine Neuerwerbung von der Museumstür bis zu ihrem endgültigen Magazinstandort? Lässt sich da etwas bei den Wegen, den Zeitabläufen und den Klima- und Sicherheitsrisiken optimieren? Auch bei manchen anderen hausinternen Prozessen lassen sich Schwachstellen entdecken: Wie werden die Informationen im Team weitergeleitet und verteilt? Wie werden Verbesserungsvorschläge der Besucher behandelt?

 

 

5)  Externe Begutachtung

 

Viele kleinere Museen werden erstmals mit Qualitätsorientierung konfrontiert, wenn sie sich um Fördermittel bewerben oder für einen Museumspreis in Frage kommen. Die Palette der hierbei eingesetzten externen Verfahren reicht von der Beantwortung eines Fragebogens über das Erstellen einer eigenen Museumspräsentation bis hin zu einem Informationsbesuch von Jurymitgliedern.

 

6)  Kriterien und Checklisten

 

Allen Verfahren gemeinsam ist, dass sog. Checklisten entwickelt werden, an Hand derer der aktuelle Stand und der Entwicklungsfortschritt dokumentiert werden können. Da ein Museum ein sehr breites Aufgabenspektrum zu erfüllen hat, muss auch die Kriterienliste umfangreich und differenziert sein.

 

Auf Deutsch liegt ein solcher Leitfaden bereits vor (siehe Literaturhinweis); er wurde auf mehreren internationalen Fachtagungen 1999 - 2003 vom ICOM-Komitee für Regionalmuseen entwickelt. Da dieses Komitee stets auf die Bedürfnisse der mittleren und kleineren Museen achtet, ist ein für uns wirklich brauchbares Instrument herausgekommen, das leider noch zu wenig bekannt ist.

 

Checklisten bewähren sich übrigens auch in speziellen Einsatzbereichen, z.B. bei der Vorbereitung von Sonderausstellungen.

 

 

B)  Die externe Anerkennung –

      oder: Wie die anderen erfahren, wie gut wir sind

 

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie die erreichten Qualitätsstandards öffentlich und verbindlich dokumentiert und der Umwelt kommuniziert werden. Ich möchte diese Vielfalt auf sechs Grundmuster reduzieren.

 

1)  Mindeststandards

 

Wer den Museumsbegriff vor Missbrauch schützen will, der sollte Mindeststandards festlegen. Die Registrierung in einer amtlichen Museumsliste ist der explizite und in mehreren europäischen Ländern bereits praktizierte Weg.

 

In England wurden seit 1988 drei Viertel aller Museen registriert; die Kriterien wurden 1995 und 2004 überarbeitet und weiterentwickelt. In den Niederlanden startete das Verfahren 1999; 40% der Museen haben bisher einen Antrag eingereicht.

 

Die von Fördermittelgebern (z.B. auch von der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen) erarbeiteten und angewandten Kriterienlisten sind eine informelle Anwendung dieses Verfahrens.

 


2)  Eine breite Auswahl

 

Wer – bezogen auf Museumstyp und -größe – ein überdurchschnittliches Niveau erreicht hat, möchte mehr als nur eine Registrierung. Eine solche Breiten-Auswahl wird z. B. bei einem Museumsgütesiegel getroffen, wie es seit 2002 in Österreich verliehen wird, oder bei der seit 1970 in den USA vom Museumsverband durchgeführten Akkreditierung, die bisher rund 10% aller Museen (meist größere) erreicht haben.

 

In Sachsen gehören in diese Kategorie zum einen die Auswahl der Museen für die Förderung mit Kulturraummitteln (z.B. die alte „70er-Liste“), zum anderen die in diesem Jahr vom Ministerium erstmalig durchgeführte Auszeichnung von rund 30 Ehrenamtlichen im Museumswesen.

 

3)  Eine exklusive Auswahl

 

In einigen Ländern will man eine kleine Elite von Museen durch eine Spitzen-Auswahl („Exzellenz“) hervorheben.

 

In England z.B. wurden seit 1997 durch das Verfahren der „Designierung“ 52 Museen ausgezeichnet. Damit verfolgt man eine doppelte Absicht: Zum einen geht es darum, die (auf Mindeststandards und die Breite der Museumslandschaft zielende) Registrierung mit einem exklusiven Verfahren (für die Standortbestimmung am oberen Ende der Qualitätsskala) zu ergänzen; zum anderen steht das konkrete Interesse dahinter, den bedeutenden Regional- und Spezialmuseen ähnliche Image- und Förder-Chancen zu geben wie den großen staatlichen Nationalmuseen.

 

In Polen wurde mit dem Begriff „registriertes Museum“ eine ähnliche Heraushebung versucht; 77 Museen wurden dort registriert.

 

In den neuen Bundesländern läuft die Diskussion um eine Museumselite unter dem Stichwort „kulturelle Leuchttürme“. Auch das vom Kulturstaatsminister im Jahre 2000 herausgegebene Blaubuch der Kultureinrichtungen in den neuen Bundesländern verfolgt ein solches Ziel. Von den hierfür ausgewählten 20 „gesamtstaatlich bedeutsamen“ Museen liegen erfreulicherweise 9 in Sachsen: Kunstsammlungen Chemnitz; Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Staatliche naturhistorische Sammlungen Dresden; Bach-Archiv Leipzig, Museum der Bildenden Künste Leipzig, Museum für Kunsthandwerk Leipzig, Musikinstrumenten-Museum der Universität Leipzig; Staatliche ethnographische Sammlungen Sachsen. Die 20 Blaubuch-Museen haben sich übrigens 2002 zur „Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen“ zusammengeschlossen.

 

4)  Auszeichnungen

 

Die Zahl der Museumspreise nimmt zu. Seit Jahren vergibt das Europäische Museumsforum mehrere Preise und Auszeichnungen („European Museum of the Year Award“); Sachsen ging dabei bisher leider leer aus. Auch Stiftungen sind hier aktiv, z.B. die „Stiftung lebendige Stadt“; 2003 hat sie die Kunstsammlungen Chemnitz für „das beste Konzept für ein lebendiges Museum und eine moderne Kulturstätte“ ausgezeichnet. Die Sparkassenstiftung fördert regionale Museumspreise in mehreren Bundesländern z. B. bei unseren Nachbarn im Westen: Thüringen / Hessen.

 


Die 1998 von Ministerium, Landesstelle und Museumsbund gestartete Initiative für einen Sächsischen Museumspreis, wurde rasch wegen Finanzierungsproblemen auf Eis gelegt. 2003 wurden die Planungen durch Minister Rößler wieder angeschoben und eine (zwischen Ministerium, Landesstelle und Museumsbund abgestimmte) neue, interessante Konzeption erarbeitet, die nun auf Umsetzung wartet.

 

Für diese Museumspreise kann man sich meist selbst bewerben, auch kleinere Museen haben da durchaus Chancen. Wichtig ist jedenfalls, dass klare Kriterien für die Preisvergabe bekannt gegeben werden und dass eine kompetente und unabhängige Jury die Kriterien konsequent, aber doch mit Augenmaß anwendet.

 

5)  Klassifizierung

 

Eine konsequente und alle Einrichtungen umfassende Klassifizierung, die sich in einigen Lebensbereichen erfolgreich etabliert hat, ist für uns Museen äußerst schwierig und problematisch.

 

Der erste Weg, die offizielle Klassifizierung (z.B. die Sterne der Hotels), setzt voraus, dass eine große Anzahl von Kriterien abgeprüft wird. Die dabei vergebenen Einzelpunktwerte werden dann je nach Bedeutung des Kriteriums gewichtet und schließlich aufaddiert. Wenn die Gesamtpunktzahl einen bestimmten Schwellenwert übersteigt, wird ein Stern verliehen. Es ist offenkundig, dass ein solches quantitativ-mechanisches Verfahren für Museen ungeeignet ist.

 

Bei gastronomischen und touristischen Reiseführern wird ein anderer Weg eingeschlagen: die Vergabe von Sternen durch anonyme und unangemeldete Prüfer aufgrund von fundierten und auf einheitlichen Kriterien beruhenden Einschätzung. Dies hat für die Hamburger Museen eine studentische Projektgruppe („museum.test“) versucht.

 

Für die kleineren Museen ist eine offizielle Klassifizierung schädlich, denn sie kommen schwer über die untersten Ränge hinaus und fänden ihre Herabstufung sogar auf einem Schild an ihrer Museumstür wieder. Das Testverfahren hingegen steht vor der Schwierigkeit, dass nur der Besucherbetrieb testbar ist; zur Beurteilung der internen Museumsprozesse sind die Prüfer auf die Zuarbeit der Museen angewiesen.

 

6)  Zertifizierung

 

Der Königsweg des Qualitätsmanagements ist zweifellos die Zertifizierung, d. h. ein förmliches Verfahren, das nach internationalen Standards (ISO 9000) durchgeführt wird. Die erfolgreiche Zertifizierung wird mit einem Prüfsiegel attestiert. Das erste deutsche Museum, das diesen sehr aufwändigen Weg mit Erfolg beschritten hat, war das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum. Dieses Verfahren eignet sich durchaus für große Museen; für kleinere Häuser dürfte der Aufwand – sowohl an eigener Arbeitskraft als auch an externen Expertisen – in keinem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen stehen.

 

Andere Modelle des Qualitätsmanagements, wie z.B. die „Excellence“-Verfahren lassen sich eher auf die Situation von mittleren und kleineren Museen anpassen.

 


Ich möchte diese knappe Übersicht über die Elemente der Qualitätssicherung und -entwicklung in zwei Thesen zusammenfassen:

 

These 5

Aus der Sicht von kleineren Museen ist die Fixierung von Mindeststandards (z.B. Registrierung) oder von überdurchschnittlichen Standards (z.B. Museumsgütesiegel) sehr nützlich; eine formelle Zertifizierung überfordert jedoch. Die Klassifikation oder die Hervorhebung von Eliten benachteiligen die kleinen Museen. Bei Museumspreisen müssen die Ausschreibungskriterien auch den kleineren Museen eine Chance geben.

 

 

These 6

So verlockend es ist, über die Vor- und Nachteile von Gütesiegeln oder Zertifikaten zu streiten – viel wichtiger als diese Varianten eines externen Nachweises des Qualitätsstandards sind die dahinter stehenden internen Verfahren der Qualitätssicherung und -entwicklung.

 

Die Fixierung auf Plaketten oder Urkunden kann sogar gefährlich werden, wenn man sich suggeriert, dass man eine Prüfung bestanden und ein Niveau erreicht habe. Qualitätsentwicklung ist jedoch ein Prozess, Qualitätsorientierung also ein ständiger Begleiter der eigenen Arbeit.

 

 


IV)  Angemessene Wege für kleinere Museen

 

A)  Die horizontale Differenzierung –

      oder: Die Salamitaktik

 

Wer in den Prozess der Qualitätsentwicklung einsteigen will, braucht nicht überall gleichzeitig zu beginnen, sondern kann sich Arbeitsbereiche herauspicken.

 

Tipp 1: Mit Probelauf beginnen

 

Zuerst sollte ein überschaubares und wohl vertrautes Arbeitsfeld ausgewählt werden, bei dem keine größeren Probleme zu erwarten sind. Erst nach dem Abschluss dieses Probelaufs sollte man das weitere Vorgehen festlegen.

 

Tipp 2: Prioritäten bilden

.

Es empfiehlt sich, die Arbeitsbereiche entsprechend der Dringlichkeit und dem Schwierigkeitsgrad zu sortieren und dann Schritt für Schritt anzugehen.

 

Tipp 3: Mehrjahresplan festlegen

 

Die aufwändige Erst-Analyse kann man über ein ganzes Jahrzehnt verteilen (siehe die arabisch durchnummerierten Anwendungsbereiche in der folgenden Liste); die spätere Überprüfung sollte dann in einem Dreijahresturnus zu bewältigen sein (siehe die römisch durchnummerierten Hauptgruppen in der folgenden Liste).

 

 

Aufgliederung der Arbeitsbereiche

zur Anwendung bei Qualitätssicherung und -entwicklung

I      Museumsbetrieb

       1   Management (Ziele, Organisation, Auswertung)

       2   Ressourcen (Finanzen, Personal, Gebäude)

       3   Kommunikation (Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung, Internet)

       4   Notfallplanung

II     Bestandspflege

5    Sammeln (Erwerb, Inventarisierung)

      und Bewahren (Magazin, Restaurieren, Inventur, Leihgaben)

6    Dokumentieren (Karteien, EDV, Bild), Forschen (Bibliothek)

      und Publizieren

III    Dienstleistungen

7   Publikumsbetrieb (Besucher, Anfragen, Beschwerden)

8   Ausstellungen (Ständige Ausstellung, Sonderausstellung, virtuelle Ausstellung)

9   Vermittlung (Museumspädagogik, Führungen) und Veranstaltungen

 10   Spezielle Dienstleistungen (z.B. Expertisen, Shop, Café)

 

 


B)  Die vertikale Differenzierung –

      oder: Viele Wege führen nach Rom

 

Wie immer im Leben liegen zwischen „weiß“ (kein Interesse an bewusster Qualitätsorientierung) und „schwarz“ (der vollen Anwendung von Qualitätsmanagement) zahlreiche Grautöne. Auch wenn dies viele Experten gar nicht gerne hören – ich plädiere bei kleineren Museen nachdrücklich für Lösungen mit abgestuften Schwierigkeitsgraden. Die Palette reicht von rein intuitiven bis hin zu expliziten und reflektierten Formen.

 

1)  Der implizite Weg:

     intuitives qualitätsbewusstes Handeln

 

Nicht wenige Museumsleute haben einen hohen Qualitätsstandard in ihrer alltäglichen Arbeit erreicht, stehen jedoch dem Qualitätsmanagement ganz ablehnend gegenüber. Denen sei versichert, dass es in der Museumsarbeit nicht primär um Begriffe und Konzepte geht, sondern um den richtigen Umgang mit Menschen und Objekten. Wer unvoreingenommen einen Blick auf die anderen im folgenden skizzierten Wege wirft, wird vielleicht manches entdecken, das zur Verbesserung der eigene Arbeit führen kann – auch ohne dabei den Begriff ‚Qualitätsmanagement’ bemühen zu müssen.

 

2)  Der mentale und globale Weg:

     Qualität als Maxime

 

Wer akzeptiert und verinnerlicht, dass Qualitätsbewusstsein ein alles Handeln durchdringendes Grundziel der Museumsarbeit ist, hat bereits einen entscheidenden Schritt getan, dem nach und nach konkrete Verbesserungen zu folgen pflegen.

 

3)  Der situative und spontane Weg:

     den Alltag verbessern

 

Wer eine Unzulänglichkeit im eigenen Betrieb rasch erkennt und umgehend abstellt, ist mit diesem Reagieren auf konkrete Situationen bereits auf einem guten Pfad der Qualitätsentwicklung. Wer ihn weiter beschreiten will, dem empfehle ich, ein „Buch der guten Vorsätze“ anzulegen, in das er alles, was er ändern will, umgehend einträgt. Am Monatsende sollten dann die Notizen und der Stand der Veränderung überprüft werden.

 

4)  Der deduktive Weg:

     konkrete Einzelziele formulieren

 

Insbesondere bei komplexen Arbeitsbereichen und Problemlagen ist es ratsam, vom Hauptziel ‚Qualität’ ganz konkrete Einzelziele abzuleiten und schriftlich zu fixieren.

 

5)  Der operativ-begleitende Weg:

     Arbeitsabläufe beobachten und verbessern

 

Ein sehr guter und leicht zu praktizierender Ansatz ist es, die Arbeitsabläufe im eigenen Haus bewusst zu beobachten und dann darüber nachzudenken, was verbessert werden kann. Routinen sind nämlich das dankbarste Terrain für sich unbemerkt einschleichende Fehler – und daher wird man dort bei der Suche nach Qualitätsverbesserung fast immer fündig.

 

6)  Der empirisch-methodische Weg:

     genaue Bestandsaufnahme und Analyse

 

Der beste Start bei der Qualitätsentwicklung ist es, in einer Erst-Analyse den eigenen Betrieb kritisch zu durchleuchten und Schwachstellen aufzudecken. Hierzu kann man auf die bewährten Instrumentarien für die Analyse von Organisationen zurückgreifen. Auch ohne externen Rat kann man Kriterien aufstellen und anwenden, Mitarbeiter und Besucher befragen, punktuelle Tests und Kontrollen durchführen und abschließend alles in einem schriftlichen Bericht festhalten. Viel besser ist es allerdings, fachmännische Hilfe einzubeziehen. Dabei brauchen wir keine unbezahlbaren Gutachten von großen Firmen; wir können uns an öffentliche Museumsberatungsstellen oder an freiberufliche Museumsberater wenden oder die Betriebswirtschaftler einer nahe gelegenen Universität ansprechen oder anfragen, ob jemand aus der Organisationsabteilung unseres Museumsträgers helfen kann.

 

7)  Der explizite und reflektierte Weg:

     Qualitätsmanagement als Teil des Museumsmangements

 

Den Königsweg beschreitet, wer Qualitätsmanagement von Anfang an als einen permanenten Prozess begreift und es in das allgemeine Management des Museums integriert und damit auch eng mit dem laufenden betrieblichen Controlling verzahnt. Nur so kann Qualitätsmanagement seine Stärken voll ausspielen

 

8)  Wege oder Stufen?

 

Die hier skizzierten sieben Wege habe ich nicht methodisch abgeleitet, sondern praxisnah entwickelt. Sie bilden zugleich auch Intensitätsstufen, die grob nach dem Schwierigkeitsgrad geordnet sind. Sie dürfen aber keinesfalls als Stufenmodell verstanden werden, bei dem man eine Stufe nach der anderen erklimmen müsste. Vielmehr hängt es sowohl von den Rahmenbedingungen als auch von subjektiven Faktoren ab, welchen Weg man einschlägt. Gerade letzteres ist wichtig: Man sollte –  ganz ohne schlechtes Gewissen – einen Weg wählen, der gut zum hauseigenen oder persönlichen Arbeitstil passt; denn dies erhöht (vor allem in einer Anfangsphase) die Akzeptanz und damit die Erfolgsaussichten von neuen Maßnahmen erheblich.

 

Diese Wege und Intensitätsstufen können auch mit der zuvor geschilderten horizontalen Differenzierung kombiniert werden kann. Konkret heißt dies, dass bei jedem Arbeitsgebiet ein der Problemlage und dem Aufwand angemessener Weg gewählt werden kann. Diese Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Wege und Intensitätsstufen ist nichts ungewöhnliches, sondern entspricht der herkömmlichen Museumspraxis. Viele Museen beweisen z. B. bei ihrer jährlichen Inventur der Sammlungen ein ausgezeichnetes methodisch-dokumentarisches Niveau und eine sehr hohe Sorgfalt (de facto ist dies Qualitätsmanagement vom feinsten!), während man sich in anderen Bereichen oft mit improvisierten Verfahren oder lockeren Einschätzungen zufrieden gibt.

 

 

These 7

Jedes Museum soll seinen eigenen angemessenen Weg in Richtung Qualität beschreiten können.

 

Die Entscheidung für einen bestimmten Weg  wird ganz wesentlich von Rahmenbedingungen bestimmt:

·         die vom  Museumsträger festgelegte Zielvorgabe sowie Verwaltungsform (z.B. Neues Steuerungsmodell);

·         die verfügbare Arbeitskapazität;

·         der bisherige Arbeitsstil.

 

 

These 8

Für kleinere Museen schlage ich zwei Strategien vor, die den Einstieg in den Prozess der Qualitätsentwicklung erheblich erleichtern:

 

 


V)  Schlussplädoyer

Vom Qualitätsmanagement zur Qualitätsorientierung

 

Das Sprichwort von den Kanonen, mit denen man nicht auf Spatzen schießen sollte, will vor allem sensibilisieren für angemessene und maßstäbliche Lösungen.

 

Dies ist beim Qualitätsmanagement auch bitter nötig, denn man darf kleine Institutionen nicht in eine hoffnungslose Situation bringen, indem man unrealistische Standards vorgibt. Vielmehr sollte man – wie ich es mit der Aufteilung von Anwendungsbereichen oder mit den unterschiedlichen Wegen und Intensitätsstufen versucht habe – qualitätsorientierte Verfahren entwickeln, die auf kleinere Museen zugeschnitten sind und den dort verantwortlichen Museumsleuten Handlungsspielräume eröffnen.

 

These 9

Es ist eine (bisher nicht ernsthaft genug angegangene) Aufgabe für Qualitätsmanagement-Experten, Vorschläge zu entwickeln, wie auch in kleineren Museen die Qualität angemessen gesichert und verbessert werden kann, ohne die Betriebe zu überfordern.

 

Vor allem aber sollte man bedenken, dass Qualitätsmanagement ein Managementansatz ist, also in einem Museum, das nach den Regeln der konventionellen öffentlichen Verwaltung arbeitet, nur ein Fremdkörper sein kann. Will man eine Verwaltungsreform durchsetzen, dann sollte man sie in einem klug organisierten Verfahren einführen; aber es hieße das Pferd am Schwanz aufzäumen, wenn man diesen Prozess mit dem Qualitätsmanagement starten würde.

 

These 10

Qualitätsmanagement im betriebswirtschaftlichen Sinn macht nur bei Museen Sinn, die bereits Managementtechniken anwenden.

 

Für die vielen Museen in öffentlicher Trägerschaft, die in herkömmlicher Weise geführt werden, müssen für Qualitätsorientierung, Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung Verfahren entwickelt werden, die in die Verwaltungsabläufe und die Museumspraxis gut integriert werden können -  aber ohne dabei das Gefühl eines Qualitätsmanagements II. Klasse zu vermitteln.

 

Um zum Schluss auf das Sprichwort zurückzukommen: Die Spatzen sollten ganz einfach Spatzen bleiben, aber die Konstrukteure der Kanonen sollten sich bitteschön hinsetzen und bescheidenere und angemessenere Instrumentarien entwickeln.

 

 

 

 


Literaturhinweise

 

Qualitätsmanagement im Museum?! Qualitätssicherung im Spannungsfeld zwischen Regelwerk und Kreativität – Europäische Entwicklungen / hrsg. von Stefan Brüggerhoff und Ruth Tschäpe. -  Bielefeld: transcript, 2001. -  236 S. - ISBN 3-933127-69-6.

 

Preis: 21,80 €; erhältlich im Buchhandel.

Diese Publikation der 1999 vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum ausgerichteten gleichnamigen Tagung ist das erste Standardwerk zum Thema in deutscher Sprache.

 

Leitfaden zur Verbesserung von Qualität und Standards in Museen. Ein ICR Projekt 1999 – 2003 / hrsg. von Hans Manneby, Hartmut Prasch und Rainer Hofmann; ICOM International Committee for Regional Museums (ICR). - [Bayreuth]: ICOM-ICR, [2003]. - 138 S. - ISBN 3-900835-18-7

 

Preis: 10 € + Porto; erhältlich über Dr. Hartmut Prasch, Museum für Volkskultur, Schloss Porcia, Burgplatz 1, A-9800 Spittal/Drau. Fax (+43) (0)4 762 56 50 67. Email : h.prasch@spittal-drau.at

Dies ist die deutsche Übersetzung des Abschlußberichts zum Projekt des ICOM-Komitees für Regionalmuseen. Er enthält auf S. 83 – 134 einen sehr nützlichen Praxisteil mit Richtlinien, Kriterien und Checklisten.

 

Höhere Qualität? Zur Bewertung musealer Arbeit, in: Museumskunde Bd. 69 (2/2004), S. 9 – 87. - ISSN 0027-4178

 

Im neuen Heft der Museumskunde werden die auf der Jahrestagung des Deutschen Museumsbunds 2004 in Kassel gehaltenen Referate veröffentlicht. Es bietet auch einen kurzen Überblick über die Situation in neun anderen europäischen Ländern.