Thomas Schuler

 

Hochwasser in Sachsen:

Krisenmanagement, Schäden, Vorsorgemaßnahmen

 

Druck-Veröffentlichung:

Thomas Schuler, Hochwasser in Sachsen: Krisenmanagement, Schäden, Vorsorgemaßnahmen.

In: Bedrohte Museen. Naturkatastrophen, Diebstahl, Terror. Wien: ICOM Austria, 2004.

 

(Referat auf dem internationalen Symposium „Bedrohte Museen. Naturkatastrophen, Diebstahl, Terror“,
veranstaltet von den ICOM Nationalkomitees Deutschlands, Österreichs und der Schweiz vom 18. bis 21. Mai 2003 in Bregenz)

 

Ein Beispiel: Kreismuseum Grimma

 

Grimma war die von der Erzgebirgsflut am schlimmsten betroffenen Stadt; sie liegt kurz nach dem Zusammenfluss der Freiberger und der Zwickauer Mulde - also der beiden Flüsse, die das gesamte Hochwasser aus dem mittleren Erzgebirge mit sich führten. Das Kreismuseum ist ein kleines altes Gebäude (die ehemalige Mädchenschule), exponiert direkt an der Mulde gelegen.

 

Marita Pesenecker leitet dieses Museum seit 1992. Am Montag (12. August 2002) um 10 Uhr morgens erhält sie einen Anruf, der sie auf Dauerregen im Erzgebirge hinweist. Das passiert zwar über 100 Flusskilometer stromaufwärts, aber man empfiehlt ihr, vorsorglich den Museumskeller zu beräumen. Eine Hochwasserwarnung ‑ wie schon oft an den Mulde? Zur Orientierung wird die Flut von 1974 genannt. Damals war das  Museum verschont geblieben; dennoch trifft Frau Pesenecker einige Vorkehrungen, sieht allerdings keine Notwendigkeit, das Erdgeschoss zu beräumen. Bevor sie nach Hause geht, beäugt sie noch einmal die durchaus nicht bedrohlich fließende Mulde.

 

Zuhause sieht sie in den Fernsehnachrichten die Bilder von den Wassermassen in Österreich, Bayern und Sachsen, was ihre Unruhe verstärkt. Sie fährt also zurück ins Museum und nimmt vorsichtshalber Schlafsack und Matte mit. 

 

Gegen 23 Uhr beginnt die Museumsleiterin, die Dauerausstellungen im Erdgeschoss (zur Stadtgeschichte und zu Katharina von Bora) und die wertvolle Bibliothek zu bergen. Nach Mitternacht kommt ein Feuerwehrmann und wird deutlich: "Räumen Sie das Erdgeschoß leer! Das Wasser kommt!"  Sie erinnert sich, dass 1954 bei der schlimmsten bisherigen Flut das Wasser im Museum ca. 1 m hoch stand. Also konzentriert sie sich darauf, die unteren Fachböden der Ausstellungsvitrinen und der Bibliotheksregale zu beräumen und die Exponate und Bücher ins Obergeschoss zu schaffen.

 

Erhebliche Probleme bereiten die gotischen Skulpturen. Für diese wäre Spezialwerkzeug erforderlich, doch die Werkstatt im Souterrain steht  längst unter Wasser. Frau Pesenecker versucht die Figuren durch Drehen und Herumprobieren aus der Sicherheits‑Befestigung zu lösen, was ihr bei einigen gelingt. Als sie bei den letzten Figuren aufgeben muss, bringt sie die beiden hilflosen Heiligen  vorsorglich in die Waagrechte. Bei der Hochwasserkatastrophe 1954 hätte diese verzweifelte Maßnahme die Kunstwerke gerettet ‑ doch wer kann schon ahnen, dass der Wasserstand diesmal  rund zwei Meter höher steigen würde.

 

Mittlerweile ist es zu spät, um das Museum noch zu verlassen, denn die Außentüren sind wegen des Wasserdrucks nicht mehr zu öffnen und die Fenster sind fest vergittert. Für die Museumsleiterin war es ein Segen, dass sie nicht aus dem Gebäude herauskam, denn selbst wenn sie sich bis zu ihrem auf der Straße geparkten Auto hätte durchkämpfen können, hätte sie dort nur unbrauchbares Blech vorgefunden. Und auch als "Fußgängerin" hätte sie kein Chance mehr gehabt, wohlbehalten nach Hause zu kommen.

 

Frau Pesenecker muss  im Museum bleiben und nutzt die unfreiwillige Dienstzeit, um weiter Exponate zu bergen.  Sie rettet alle  demontierbaren und transportablen Museumsobjekte, und bei der Bibliothek gelingt es ihr, etwa 1000 Bände, also ca. 10 %, zu bergen - doch im Nachhinein macht sie sich Vorwürfe: Die unteren Regalböden sind zwar leer geräumt, aber die wertvollen Bände weiter oben verblieben vor Ort, weil ein Hochwasser, das sie gefährden könnte, die Vorstellungskraft überstieg. Insgesamt neun Stunden lang kämpft sie, im steigenden Wasser watend und mit dem Licht einer Taschenlampe. Sie arbeitet alleine ‑ doch hinterher ist sie erleichtert darüber, dass sie niemand anderen in diese große Gefahr gebracht hat.

 

Als sie wieder einmal ‑ mittlerweile ist es Dienstag morgen und das Wasser reicht ihr bis zum Bauchnabel ‑ die Treppe her­unterkommt und in den Ausstellungsraum hinein will, kann sie die  verquollene Tür nicht mehr öffnen ‑ und ist heilfroh, sich auf der richtigen Seite dieser Tür zu befinden! Sie bringt sich im Obergeschoß in Sicherheit, während der Wasserspiegel stetig steigt, bis er wenige Zentimeter unter der Decke des Erdgeschosses stoppt.


Am Dienstagnachmittag kommen die Hubschrauber, um die zahlreichen von den Fluten Einge­schlossen zu retten. Doch das Museum hat nur eine kleine Dachluke für den Schornsteinfeger, und die ist für so eine Rettungsaktion zu riskant. Also bleibt Frau Pesenecker im Museum, denn für Schlauchboote ist die Strömung direkt an der Mulde viel zu gefährlich.

 

36 Stunden lang muss Frau Pesenecker im Museum ausharren. Strom und Telefon sind längst ausgefallen, ein Handy hat sie nicht.  Aber der Fotoapparat funktioniert, und so gelingen ihr eindrucksvolle  Aufnahmen von der Situation an dieser exponierten Stelle und von den Hubschrauber-Rettungsaktionen bei den Nachbarn. Glücklicherweise findet sie auch noch die ungeplante „Notfallration“ im Museum: ihre Zigaretten im Schreibtisch und einige Knabbereien und Getränke, die von der letzten Ausstellungseröffnung übrig geblieben waren…

 

Am Mittwochmittag gelingt es ihrem Mann, unter Missachtung der Verbote auf den völlig zerstörten Straßen durch das immer noch kniehoch stehende Wasser zum Museum zu waten; kurz vor dem Ziel versinkt er noch in einem übermannshohen Krater. Dann bietet sich ihm ein skurriler Anblick: Ein Segelboot  - von weiß Gott woher - ist auf der über zwei Meter hohen Mauer hängen geblieben, die das Museum von der Straße trennt! Ein kräftiger Stoß - dann löst es sich und fällt in sein Element zurück. Es ist intakt, und so kann das wiedervereinte Paar auf den Wasser-Straßen nach Hause gleiten.

 

Doch nun sieht Frau Pesenecker erstmals, was außerhalb der schützenden Museumsmauern passiert ist: die aufgerissenen Straßen, die riesigen Krater, die geborstenen Rohre, die wie Schollen dahintreibenden Asphaltplatten. Und erst die Autos! Das Wasser hat sie nach einer zerstörerischen Fahrt irgendwo geparkt und oft mehrfach übereinander gestapelt; eins ist oben auf dem Brunnen gelandet. Erst da beginnt sie, das Ausmaß der Katastrophe zu begreifen: "Eine unwirkliche Situation. Alles ist unter Wasser, und mein Mann bringt mich wie ein Gon­doliere nach Haus."

 

Doch zum Ausruhen zuhause blieb keine Zeit. Nun begann der nicht minder wichtige zweite Teil der Rettungsaktion, denn einiges war ja im Erdgeschoß zurückgeblieben:

    -  die beiden gotischen Skulpturen (Anna und Georg aus dem Georgenhospital),

    -  vier massive Holzobjekte (darunter ein sehr wertvolles romanisches Türblatt),

-  die 9.000 Bände der Bibliothek (mit wichtigen Werken aus der Zeit der  Grimmaer Fürstenschule).

 

Am Donnerstag und Freitag wurden die Rettungsarbeiten vorbereitet. Bei den in der Sommerhitze unglaublich rasch vom Schimmel überzogenen Büchern kam es darauf an, nicht nur richtig, sondern auch sehr schnell zu handeln. Zunächst ging es darum, das optimale Verfahren - nämlich sofortiges abspülen und tiefgefrieren und späteres gefriertrocknen - herauszufinden. Dann musste - ungeachtet des allgemeinen Entrümpelungs-Chaos in der Grimmaer Altstadt - rasch das nötige Zubehör (Schläuche, Decken, Handschuhe, Tische) besorgt, die Helfer  gewonnen und die Partner für die weitere kühltechnische Bearbeitung gesucht werden. Frau Pesenecker gelang es, in Lebensmittelbetrieben Tiefkühlkapazität zu organisieren, wo man bereit war, ohne Rücksicht auf Vorschriften die Bände sofort zu frosten.

 

Am Wochenende kam dann die Großaktion, bei der Viele zupackten: das Museumspersonal, freiwillige Helfer aus Grimma und der Region, Histo­riker und natürlich auch Museumskollegen (aus dem Westsächsischen Schulmuseum Leipzig, aus dem Museum Burg Querfurt und - als Start der Initiative "Partner nach der Flut" - aus dem Schloßbergmuseum Chemnitz). Sie alle haben von Freitag bis Montag einen enormen Kraftakt vollbracht: In nur vier Tagen wurde das gesamte Erdgeschoß beräumt sowie die Objekte gesäubert, gesichert und in die jeweiligen Restaurierungswerkstätten oder Tiefkühl­häuser transportiert. Bereits eine Woche nach der Flut konnten die Sanierungsarbeiten am Gebäude beginnen.


Die beiden Skulpturen gingen zurück zu der Restauratorin in Dresden, die sie erst vor kurzem be­arbeitet hatte (und anhand ihrer Unterlagen die stark geschädigte Fassung wiederherstellen kann). Die vier massiven Holzobjekte hat der Restaurator des Schloßbergmuseums Chemnitz übernommen.

 

Und wer wird  diesen ganzen Restaurierungsaufwand bezahlen?

Manchmal braucht man eben das Glück des Tüchtigen und Hartnäckigen: Frau Pesenecker hatte eineinhalb Jahre zuvor  - nach mehreren Anläufen - die Zuständigen in der Kreisverwaltung davon überzeugt, dass die Museumsobjekte versichert werden müssen. Und seit­dem ist der Bestand zumindest teilweise versichert. Doch dass bei einem so flussnahen Gebäude auch alle Elementarschäden einschließlich Hochwasser in die Versicherung des Museumsguts einbezo­gen wurden, das dürfte die Versicherung heute grämen ...

 

Auch insgesamt hatte das Museum mehrfach Glück im Unglück:

Vor allem hielten die Fundamente und das frisch verputzte Mauerwerk dieses alten und expo­niert gelegenen Bauwerks; 40 andere Häuser in Grimma hat die Mulde zerstört.

Außerdem machte das Wasser wenige Zentimeter unter der Decke des Erdgeschosses halt; wäre es höher gestiegen, dann wäre das ganze Obergeschoß samt den mühsam geborgenen Objekten auch noch ein Opfer der Flut geworden - und außerdem wäre dann die Sanierung des Museumsgebäudes viel aufwändiger und teurer geworden.

Höchst wertvoll erwiesen sich auch die massiven schmiedeeisernen Fenstergitter: An ihnen prallte das vorbeirasende Treibgut ab; die Fensterscheiben hielten daher stand. Wären sie ge­brochen, hätte die wirbelnde und reißende Gewalt des Wassers Tausende von Büchern hin­ausgespült und vernichtet.

 

 

Unser Krisenmanagement: fünf Phasen

 

Phase 1  

Vor und während des Hochwassers - Retten und Evakuieren

 

Bei der ersten Flut, dem Hochwasser aus dem Erzgebirge am 12./13. August 2002, wurden die Museumskollegen ebenso überrascht wie alle in Sachsen:

- vom Ausmaß des Hochwassers

- von den zu reißenden Gewässern werdenden Bächen

- und von den Flüssen, die sich ihr altes Bett wieder zurück eroberten.

 

In den Städten des Elbtals (bes. Pirna, Dresden, Meißen) kam man danach gar nicht zum Durchatmen, denn eine zweite Flut kündigte sich an: Die Elbe stieg  am 16.-19. August 2002 bis zu 1 Meter über ihren historischen Höchststand und erforderte neue und zusätzliche Evakuierungsmaßnahmen.

Die Bedingungen beim Evakuieren waren äußerst unterschiedlich. Ebenso spektakulär wie erfolgreich war die Rettungsaktion der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: "23.000 Objekte wurden bewegt, und 23.000 Objekte wurden gerettet" konnte der Generaldirektor Martin Roth hinterher - zu Recht stolz auf diese Leistung - verkünden. Besonders schwer hatten es die Kollegen in den Technischen Museen im Erzgebirge, denn ihre Denkmäler und Schauanlagen sind wasserbetrieben und liegen somit extrem hochwassergefährdet; außerdem hatten sie kaum eine Vorwarnzeit. Auch einige technische Sammlungen mit Großobjekten  hatten keine Chance, ihr Museumsgut so kurzfristig auszulagern. Weiter flussabwärts gelang es den Kollegen, fast alles zu bergen - dies gilt auch für die 5 vom Hochwasser bedrohten Museen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg -, doch für drei Außendepots reichte die Zeit nicht mehr.

 

Bei all diesen widrigen Umständen dürfen die knapp 40 betroffenen sächsischen Museen außerordentlich zufrieden sein, dass kein Mitarbeiter gesundheitliche Schäden davongetragen hat, und dass insgesamt nur etwa 100 Objekte zerstört oder verloren sind (Wert rund 30.000 Euro). Auch der von der Flut direkt verursachte Schaden an Objekten blieb mit rund einer halben Million Euro überraschend niedrig. Allerdings ist der Restaurierungsbedarf an den geretteten Objekten (wegen Transportschäden und ungünstigen Lagerbedingungen) noch nicht völlig überschaubar und bezifferbar. Der Hauptschaden  jedoch liegt bei der Sanierung der Gebäude und der Erneuerung der in den Untergeschossen befindlichen technischen Infrastruktur.


Bei ihrer  Kernaufgabe, dem Bewahren von Kulturgut, haben die Museen also außerordentlich gut abgeschnitten. Entscheidend war die Schnelligkeit und Umsicht der Museumsleiter und vor allem deren Bereitschaft, Initiative und Verantwortung selbst zu übernehmen. Dem Einsatz, der Kompetenz und dem beruflichen Ethos der Museumskollegen vor Ort gebührt unser Dank und unsere Hochachtung - aber auch den vielen freiwilligen Helfern, von den Mitarbeitern des Ministeriums bis zu den Passanten, die mit anpackten.

 

Phase 2

Unmittelbar nach der Flut - Soforthilfe und Schadensbegrenzung

 

Während in der Phase 1 die Museumsleute vor Ort ganz eigenständig die Katastrophe bewältigen mussten, konnten in der Folgezeit die Kollegen  in vielfältiger Weise mithelfen.

Rasch wurde klar, dass  Einzelaktionen nicht ausreichen, sondern dass  der  Sächsische Museumsbund (SMB) aktiv werden müsse. Dies war umso dringender, als mit der Ankündigung der unvorstellbaren Elbepegel die nächste Katastrophe vor der Tür stand. Da der Vorsitzende des SMB in Dresden telefonisch schon nicht mehr erreichbar war, ergriff  ein Vorstandsmitglied, Dr. Thomas Schuler vom Schlossbergmuseum Chemnitz, die Initiative und erhielt von den verfügbaren Vorstandskollegen grünes Licht,  als Fluthilfekoordinator des SMB zu agieren und seine Idee der Museumspartnerschaften flächendeckend für Sachsen umzusetzen.

Die ursprüngliche Absicht, dies im Team und arbeitsteilig durchzuführen, musste nach einem halben Tag  wieder verworfen werden. Katastrophenmanagement und Hilfekoordination sind dann am effizientesten, wenn sie bei einer einzigen Kommunikations- und Schaltstelle gebündelt werden.

 

Da ca. 90 Prozent der rund 400 sächsischen Museen nicht vom Hochwasser betroffen waren, bot sich eine regionale Lösung an. Unter den Schlagworten: "Partner nach der Flut" und "Museen helfen Museen"  wurden jedem Museum, das seine Probleme nicht aus eigener Kraft lösen konnte, mehrere helfende Museen zugeordnet, die dann in direkter Absprache das  Erforderliche organisierten. Ziel dieser Partnerschaften war es, zunächst durch Sofortmaßnahmen zu helfen und für eine rasche und kompetente Bergung und Erstsicherung zu sorgen, um weitere Schäden zu verhindern. Es war äußerst dringlich, dass geschultes Museumspersonal die Kollegen vor Ort entlastet und die zahllosen freiwilligen Helfer mit betreut.

 

Eine solche partnerschaftliche Aktion  zu starten und zu steuern, ist eine genuine  Aufgabe für einen Museumsverband; staatliche Einrichtungen wie das (durch das Elbehochwasser außerdem selbst stark behinderte) Ministerium oder die Landesstelle für Museumswesen  hätten ein solches Konzept nicht so überzeugend umsetzen können.


Die erste konkrete Aufgabe für den Fluthilfekoordinator war nun, herauszufinden, welche Museen betroffen waren, welche Schäden eingetreten waren und welche Hilfe benötigt wurde. In wenigen Tagen wurden dazu weit über hundert Telefongespräche geführt, und an Hand von  topografischen Karten eine Liste  aller flussnah gelegenen und gefährdeten Museen angelegt. Ins Elbtal waren zu diesem Zeitpunkt keine Telefonate möglich; man musste also versuchen,  Museumskollegen, die in den höher gelegenen Nachbarzonen wohnen, privat zu erreichen. In einem besonders schwierigen Fall, dem evakuierten Bad Schandau,  musste sogar ein Kurier ausgesendet werden.

 

Die Telefonaktion hatte zwei unerwartete, aber wichtige Nebenergebnisse. Zum einen stellte sich heraus, dass in zahlreichen von Hochwasser stark betroffenen Orten die Museen auf Grund ihrer Lage verschont geblieben waren. Bei den drängenden Fragen nach dem Schicksal dieser Museen konnte daher rasch Entwarnung gegeben werden. Zum anderen waren die Museumskollegen ebenso überrascht wie erfreut, dass ihr Verband sich so rasch um sie kümmert und Hilfe vermittelt. Da selbstverständlich alle Museen unabhängig von ihrer Mitgliedschaft im SMB angesprochen wurden, entwickelte sich nebenbei eine ganz ungeplante Werbeaktion für den Museumsverband.

 

Die zweite, parallel laufende Aufgabe war viel schneller und leichter zu bewerkstelligen: größere Museen mit erfahrenem wissenschaftlichen und technischen Personal zu finden, die helfen konnten und wollten. Nach rund 20 Telefonaten gab es schon genügend Zusagen. Beim Zusammenbringen der Partnermuseen wurden  selbstverständlich die jeweiligen Wünsche respektiert, ansonsten waren die damals offenen Verkehrsverbindungen maßgebend. Für die telefonisch nicht erreichbaren Museen im Elbtal wurden Partner im Voraus festgelegt, damit diese sofort nach dem Rückgang des Pegels eingreifen konnten. Die Hilfswilligkeit beschränkte sich übrigens keineswegs auf Museen; auch Restauratoren, freischaffende Museologen und Studenten haben sich spontan gemeldet und wurden vermittelt.

 

Obwohl eine Fülle von überregionalen Hilfsangeboten einging, wurde in den allerersten Tagen die Partnerhilfe auf Sachsen begrenzt - zum einen, weil bereits mehr als genügend Hilfsangebote aus der Region  vorlagen, zum anderen weil es vor allem um Schnelligkeit ging - sei es um den in der Sommerhitze wuchernden Schimmel zu entfernen, sei es um Papier-Objekte umgehend tief zu gefrieren, sei es um dem Antrocknen des Schlammes zuvorzukommen.

 

Neben dem Aufbau und der Betreuung des Partnernetzwerks wurde die Kommunikation zur wichtigsten und zeitintensivsten Arbeit des Fluthilfekoordinators in dieser Phase: ständige Abstimmung und Informationsaustausch mit dem Ministerium und der Landesstelle und ebenso mit dem Deutschen Museumsbund (DMB) und  der deutschen Nationalgruppe des internationalen Museumsverbandes (ICOM-D).

 

Als „Rückgrat“ für Krisenmanagement, Kommunikation und Koordination entstand eine neue, täglich aktualisierte Website  (http://www.schlossbergmuseum.de/smb/flut.html). Sie informierte über

-      die betroffenen und verschont gebliebenen Museen,

-      die Art der jeweiligen Schäden (damit Museen und Fachkräfte direkt und gezielt Sachhilfen und Arbeitsleistungen anbieten konnten)

-      die Partnerschaften zwischen „nassen“ und „trockenen“ Museen

-      die Links zu anderen Internetseiten mit Information und fachlichen Ratschlägen zur Behebung von Wasserschäden.

 

Phase 3

Die Wochen danach - Medienarbeit und Finanzierung

 

Die beiden letztgenannten Aufgaben, Kommunikation und Ausbau der Website, gingen nahtlos hinüber in Phase 3. Neues Gewicht jedoch bekam die Medienarbeit. Denn nach wenigen Tagen wurde klar, dass sich das Interesse der überregionalen Medien auf einige Orte (z.B. Dresden und Grimma) und auf bestimmte Gebäude (besonders Semperoper und Zwinger) konzentrierte. Es war daher sehr wichtig, deutlich zu machen, dass es neben diesen Medienstars  noch viele andere geschädigte und unterstützungsbedürftige Orte und Museen in Sachsen gab.

 

Die Hauptaufgabe des Fluthilfekoordinators in Phase 3 waren jedoch die Finanzen, d.h. die Fördermittel und Spenden. Es ging darum

-        genaue Informationen zu den verschiedenen Förderprogrammen zu sammeln und an die Museen weiterzugeben,

-        die Museen beim Erstellen der Schadensbilanz zu unterstützen und die Vergleichbarkeit der Zahlen zu gewährleisten,

-        die Museen zum Verfahren zu beraten und auf Probleme und Lösungswege hinzuweisen,

-        im Namen der nichtstaatlichen Museen gemeinsame Anträge auf Förderung zu erarbeiten und einzureichen,

-        sich bei den Fördermittelgebern für die Belange der sächsischen Museen einzusetzen,

-        auf Fairness bei der Verteilung der öffentlichen Mittel und der Spenden zu achten.

 

Nachdem die Bundesregierung 3 Mio. Euro Soforthilfen für Kultureinrichtungen angekündigt hatte, waren rasch Kostenschätzungen zuzuarbeiten. Obwohl die Museen und ihre Träger wenige Tage nach der Flut völlig andere Sorgen hatten, musste die ersten Zahlen abgefordert werden. Bereits 10 Tage nach Beginn des Hochwassers lag die Gesamtschadensliste der sächsischen Museen vor, 3 Tage später hat Pof. Nida-Rümelin auf seiner Pressekonferenz in Dresden die Ersthilfen für die 16 am schwersten betroffenen Museen konkret benannt; auf die sächsischen Museen entfiel knapp die Hälfte der gesamten Ersthilfe des Bundes. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass die Schnelligkeit und Genauigkeit dieser von den Museumskollegen äußerst lästigen empfundenen Eilmeldungen entscheidend war, und zwar sowohl für die Durchsetzung des Förderprogramms in Berlin wie auch für die gerechte Verteilung unter den Kultureinrichtungen.

 

Für die spätere endgültige Schadensmeldung wurde (in Abstimmung mit dem Ministerium) eine Kriterienliste entwickelt, die auch die je nach Schadensart unterschiedliche Förderfähigkeit der Kosten berücksichtigt. Dieses nützliche Arbeitsinstrument

(siehe Anhang 1) ist auch leicht auf andere Katastrophensituationen übertragbar.

 

Neben der Bundesregierung haben auch die großen Stiftungen rasch und gut reagiert: die Bundeskulturstiftung (2 Mio. Euro) und die Kulturstiftung der Länder (0,5 Mio. Euro), aber auch private Stiftungen (z. B. Ostdeutsche Sparkassenstiftung).

 

Bei den Spenden war zu allererst die Frage zu entscheiden, ob der SMB ein zentrales Spendenkonto einrichten soll. Nach kurzen Abklärungen mit DMB und ICOM-D wurde entschieden, dass von Museumsverbänden überhaupt keine Sammelkonten eingerichtet werden, sondern alle Spenden für Kultureinrichtungen auf die Sonderkonten der Kulturstiftungen des Bundes und der Länder fließen sollten. Als Gegengewicht für diese hohe Zentralisierungsebene war es erforderlich, die Spendenkonten der einzelnen Museen (sowie ihrer Trägerinstitutionen und Fördervereine) auf der SMB-Website publik zu machen.

 

Auch die Partnermuseen ließen sich einiges einfallen, um Spenden zu sammeln. Vorbildlich war die Zittauer Aktion während der großen Habsburger-Ausstellung zugunsten des Stadtmuseums Pirna. Auch der persönliche Einsatz wurde honoriert: Frau Pesenecker aus Grimma z.B. erhielt von den Kollegen der Partnermuseen ein Wellness-Wochenende im Berghotel auf Sachsens höchsten Gipfel, dem Fichtelberg, mit einem Augenzwinkern geschenkt.

 

So gut die finanziellen Hilfen auch flossen, ein Problem blieb dennoch bei den Museen und ihren Trägern hängen: der Einnahmeausfall durch Schließung oder durch die ausbleibenden einheimischen und auswärtigen Besucher. Manche Museen gerieten dadurch in erhebliche Bedrängnis.

 

Phase 4

Die ersten Monate danach - Rückkehr zur Normalität und Verarbeitung der Katastrophe


Die Rückkehr zur Normalität ist für ein vom Hochwasser überflutetes Museum ein komplizierter und langwieriger Prozess. Die sächsischen Museumsleiter befanden sich bei der raschen Wiedereröffnung in einem Zwiespalt. Einerseits gefährdet die gespeicherte Feuchtigkeit (und z. T. auch Schadstoffe) in den Mauern die Exponate; auch Heizungen, Klimatisierung und Alarmanlagen müssen zuerst wieder störungsfrei laufen. Andererseits sind die Museen wichtige Zentren des öffentlichen Lebens und Teil der örtlichen Gesellschaft; eine frühe Wiedereröffnung ist daher auch ein Zeichen der Freude und Ermutigung für die Mitbürger - und oft auch ein Stück touristischer Wiederbelebung. Die Kultureinrichtungen bemühten sich also sehr darum, wenigstens eingeschränkt wieder zu eröffnen.

 

Mehrere Museen zeigten zur Wiedereröffnung Fotoausstellungen über das Hochwasser in ihrer Stadt. Sie schlugen damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie konnten die konservatorisch bedenkliche Situation der Museumsräume vernachlässigen und sie bewiesen sich in der Krise als das, was Stadtmuseen auch im Alltag sind: als Forum für gemeinsames Erinnern und als Einrichtungen, die das kulturelle Bewusstsein und die Identität ihrer Stadt prägen.

 

Interessante Wege beschritten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Einige Häuser machten aus der Not eine Tugend und beließen die aus den Magazinen geborgenen Objekte in den Ausstellungsräumen. Insbesondere im Albertinum führten die Skulpturen aus dem Depot mit ihren privilegierten Geschwistern in der Dauerausstellung interessante Dialoge. Das Kunstgewerbemuseum  in Schloß Pillnitz ließ sich etwas ganz besonderes einfallen: Es bat die einschlägigen Museen  in den Partnerstädten Dresdens um exquisite Leihgaben (“director’s choice“).

 
"Wenn das Hochwasser sinkt, steigt der Pegel der Bürokratie wieder an"
. Dieser bittere Satz aus Dresden betraf auch uns Museen. Mehrfach musste der Fluthilfekoordinator vor Ort intervenieren oder den Museumskollegen durch Information und Rat den Rücken gegen bürokratische Unvernunft und Gängelei stärken.

 

Besonders wichtig  in dieser vierten Phase war der gemeinsame Kampf um neue Depots für die Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden, für das Kreismuseum Grimma (mit Außendepot Kloster Nimbschen) und für das Stadtmuseum Meißen („Rote Schule“). An allen drei Orten sind mittlerweile hochwassersichere neue Depots beschlossen worden; auch deren Finanzierung mit Bundesmitteln ist gesichert.

 

Wer eine Katastrophe überstanden hat, hat sie noch lange nicht bewältigt. Psychologen wissen, dass nach einer extremen Belastung (Hochwasserkatastrophe) und anschließendem Dauerstress (Schadensbegrenzung und -beseitigung; Wiederinbetriebnahme) irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem man das Geschehene innerlich verarbeiten muss. Gerade dann ist es wichtig, etwas Abstand zu gewinnen und Gesprächspartner zu haben. Die Partnermuseen, die Landesstelle und der SMB  haben daher in dieser Phase versucht, den Kollegen beim persönlichen Umgang mit der Katastrophe zu helfen. Dies war mit ein Grund, warum der SMB alle betroffenen Museumsleiter zu einem Auswertungstreffen nach Chemnitz einlud, das dankenswerterweise von unserem Nachbarverband in Thüringen finanziert wurde.

 

Phase 5

Das Jahr danach - Rückblick und Reflexion

 

Zwei Museen haben hervorragende Bücher über das Hochwasser herausgebracht

-        die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: Caroline Möhring, Johannes Schmidt (Hrsg.), Gegen den Strom. Die Rettung der Dresdener Kunstschätze vor dem Hochwasser im August 2002, Verlag der Buchhandlung Walter König, Köln 2002,

         183 S.

-        das Kreismuseum Grimma (als Katalogbuch zur Fotoausstellung): Marita Pesenecker, Jonas Flöter (Hrsg.), Grimma, Flutbilder - Bilderflut. Eine Fotodokumentation, Leipziger Universitätsverlag / Sax-Verlag Beucha 2002, 183 S.

 

Die Tagung des SMB in Chemnitz hat am 19./20. Oktober 2002 im Wasserschloß Klaffenbach stattgefunden; die Berichte sind veröffentlicht in:

-        „Informationen des Sächsischen Museumsbundes“, Heft 24/2002, S. 74 - 82 und  25/2002, S. 57 - 75


Eine zweite Tagung hat  am 27. November 2002 in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden stattgefunden. Sie war von diesem Haus organisiert und als Expertentagung konzipiert, bei der deutsche und internationale Spezialisten für Katastrophenprävention und -management vortrugen. Der Tagungsband ist veröffentlicht:

-        Bettina Probst, Michael John (Hrsg.), Katastrophenschutz für Museen, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 2003, 94 S.

 

Die Zusammenarbeit mit Bibliothekaren, Archivaren und Restauratoren wurde bei der

Dresdner Tagung begonnen; sie muss unbedingt weitergeführt werden, weil ein Teil der Hochwasserprobleme alle vier Berufsgruppen betrifft.

 

Am Ende aller Reflexionen müssen jedoch handlungsorientierte Empfehlungen stehen und Konsequenzen gezogen werden. Ein erster Anlauf zu diesem wichtigen Ziel ist die Agenda-Liste, die den Ertrag der Chemnitzer und der Dresdner Tagung zusammenfasst (siehe Anhang 2).

 

 

Fazit: fünf erfreuliche Aspekte

 

Die Flut hat den Menschen viel Verlust und Leid gebracht und mancher Ort geriet an den Rand der Existenzfähigkeit. Auch die Museen haben allen Grund zu klagen, vor allem was die Schäden an Gebäudesubstanz, Haus- und Museumstechnik betrifft. Aber auch erhebliche Einnahmeausfälle und die Verringerung des regionalen Spenden- und Sponsoringvolumens (zum Teil wegen eigenen Schäden, zum Teil wegen Fluthilfe) machten den Museen zu schaffen. Dennoch sind auch einige positive Aspekte nicht zu übersehen.

 

 

1)   Rasche Normalisierung und ausreichende finanziellen Entschädigungen

 

Die ersten Museen haben bereits Ende August wieder den Publikumsbetrieb aufgenommen; fast alle Museen waren Mitte November 2002 wieder in Voll- oder Teilbetrieb. Lediglich das Heimatmuseum Bad Schandau und das Pianofortemuseum Meißen sind 1 Jahr nach der Flut noch komplett geschlossen.

 

Vom Finanzvolumen her sieht es so aus, als ob die 2002 verteilten knapp 10 Mio. Euro und die für 2003 vorgesehenen 100 Mio. Euro die Schäden im Kulturbereich in etwa abdecken. Auch die bislang sehr bedarfsgerechte und faire Verteilung hat viel zum Elan des Wiederbeginns und zum Erhalt der kollegialen Atmosphäre beigetragen.

 

 

2) Solidarität

 

Die Solidarität beginnt bei den Museen selbst: Unsere Partnerhilfe hat hervorragend funktioniert und wurde in anderen Bundesländern und Kultursparten als Vorbild angesehen.

 

Die Staatlichen Kunstsammlungen  Dresden haben ein besonderes Zeichen der Solidarität gesetzt. Bei dem 2002 erhobenen Spendenaufschlag auf die Eintrittskarten kamen rund 35.000 EUR für die nichtstaatlichen Museen Sachsen zusammen!

 

Am meisten jedoch wurde über die (für manche überraschende) Solidarität zwischen dem Westen und dem Osten Deutschlands gesprochen. Was überall in den Flutgebieten zu beobachten war, galt auch für die Museen. Viele Hilfsangebote und Spendenaktionen kamen von Museen und Restauratoren der westlichen Bundesländer.

 

 

3) Wertschätzung der Museen

 

Wer hätte diese Erfahrung noch nie gemacht: Wenn etwas Wichtiges und Wertvolles täglich verfügbar ist, verliert es an Reiz; erst wenn der Verlust droht, besinnt man sich auf den wahren Wert. Genauso erging es den Museen in den Hochwassergebieten: Als die Fluten die Ausstellungen und Depots bedrohten, war die Hilfsbereitschaft enorm, um das gemeinsame Erbe zu retten. Aus "dem" Museum wurde "unser" Museum.

 

Eine andere Beobachtung: Viele Familien haben ihr Hab und Gut, aber auch ihre Erinnerungsstücke und Fotoalben verloren - und sie merkten, dass dies mehr und länger schmerzt als mancher materielle Verlust. Auch solch eine Erfahrung ist ein (allerdings sehr bitterer) Weg, den Sinn eines örtlichen Museums besser zu begreifen. Man empfindet nämlich dankbar, dass wenigstens die kollektiven Erinnerungsstücke und Bilder nicht von Fluten vernichtet wurden.

 

Zahlreiche Museen haben in der schwierigen öffentlichen Stimmungslage nach der  Katastrophe sehr gut reagiert und als Brennpunkte des öffentlichen Lebens Verantwortung übernommen und Impulse gegeben. Die rasche Wiedereröffnung, die Fotoausstellungen zur Flut, aber auch viele kleinere Aktionen haben die Position der Museen vor Ort  deutlich gestärkt. Gerade in Krisensituationen können Museen zur Orientierung und Stabilität beitragen und mit ihren Angeboten wieder Freude und Zuversicht stärken.

 

Selbst den kühlen Rechnern wurde nach der Flut schlagartig vorgeführt, wie der Tourismus ohne Museen und Theater in die Knie geht. So unangenehm für manchen Museumsdirektor auch der Druck nach rascher Wiedereröffnung war, den Tourismus, Hotelgewerbe und Wirtschaftsverbände ausübten - die Erfahrung, wie unverzichtbar die kulturellen Einrichtungen als Wirtschaftsfaktor sind, dürfte jedenfalls alle Beteiligten überrascht haben.

 

 

4) Image der Museen und der Museumszunft

 

Gerade in kleineren Orten, in denen das Museum manchmal einen schweren Stand hat, gab es nach der Flut einige Verwunderung bei Bürgermeistern und Landräten. Dass die Museen schneller, großzügiger und unbürokratischer als alle anderen Bereiche gefördert wurden, brachte ebenso Pluspunkte wie die Tatsache, dass Bundesmittel direkt zum Museum flossen und dass sich große nationale Stiftungen plötzlich für das lokale Museum interessierten.

 

Auch bei den internen Fluthilfe-Auswertungen auf Landes- und Bundesebene war nicht zu übersehen, dass die Museumsleute den Vergleich mit keiner anderen Berufsgruppe zu scheuen brauchen, wenn es um Schnelligkeit und Effizienz bei Rettungsaktionen, Schadensbilanz, Fördermittelanmeldung oder PR-Präsenz ging. Nirgendwo sonst wurde z. B. das Internet als ein zentrales Instrument des Katastrophenmanagements eingesetzt (siehe Anhang 3). Wir waren auch die ersten, die Auswertungstagungen organisierten und eine handfeste Agenda-Liste erarbeitet haben.

 

 

5) die Schlüssel zum Erfolg: Ethos und Vernetzung

 

Nachdem bei den staatlichen wie den nichtstaatlichen Museen in Sachsen das Katastrophenmanagement insgesamt sehr erfolgreich war, ja streckenweise sogar als vorbildlich bezeichnet wurde, muss man die Frage stellen, woran dies lag - denn vorbereitet auf diese Katastrophe waren wir Museen ebenso schlecht wie die Gesellschaft insgesamt.

 

Der erste Schlüssel zum Erfolg liegt im hohen Ethos und in der Eigenverantwortung der Museumsleute. Sie definieren sich nicht als Teil eines öffentlichen Verwaltungsapparates, sondern als Sachwalter für einzigartiges Kulturgut. Auch wenn es in keinem Dienstvertrag steht: Jeder Museumsdirektor trägt die Verpflichtung in sich, dass er seinem Nachfolger die Sammlung reicher und besser übergeben möchte.


Dieses Ethos, das der Aura eines Objektes, der hohen Wertschätzung eines Unikats und dem Sammeln und Erhalten für künftige Generationen verpflichtet ist, spornt Museumsleute an, in bedrohlichen Situationen einen hohen Einsatz zur Rettung von Objekten zu wagen, aber auch die Risiken gut abzuwägen.

 

In der guten Vernetzung der sächsischen Museen sowohl untereinander als auch innerhalb Deutschlands liegt die zweite wesentliche Voraussetzung dafür, dass unser Katastrophenmanagement ohne Anlaufschwierigkeiten und Reibungsverluste funktionierte.

 

Wenn unser Museumsbund schwach organisiert oder zerstritten gewesen wäre oder wenn unsere Alltagsbeziehungen zur Landesstelle und zum Ministerium schlecht gewesen wären, dann wäre auch in der Krisensituation Sand im Getriebe gewesen. Ein besonders glücklicher Zufall war, dass die beiden Fluthilfe-Verantwortlichen der staatlichen bzw. nichtstaatlichen Museen (Dr. Roth und Dr. Schuler) im Vorstand des Deutschen Museumsbundes sowie aktive ICOM-Mitglieder waren. Es war daher völlig problemlos, die drei Ebenen der Verbände (Land - Bund - international) auf gemeinsamen Kurs zu bringen und zu halten.

 

Was für die Museumszunft insgesamt gilt, gilt auch für die einzelnen Museen: Die Hilfsbereitschaft nach der Flut hing ganz wesentlich von den dauerhaften beruflichen Beziehungen zwischen den Museen und ihren Kollegen ab. Mit anderen Worten: Der Einzelgänger und Eigenbrödler hat in und nach einer solchen Katastrophe viel schlechtere Karten als der Museumsleiter, der über Leihverkehr, Tagungsbesuche und gemeinsame Ausstellungsprojekte ein Netz kollegialer Beziehungen aufgebaut hat. Wem das modische Wort „Vernetzung“ dafür nicht über die Lippen kommt, der möge sich eben an ein altmodisches deutsches Sprichwort halten, das nicht nur im Alltag, sondern erst recht in einer Notsituation gilt: „Wie man sich bettet, so liegt man“.

 

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